Die Stimme und der Marathonläufer

Es war einmal eine kleine, ganz zarte Stimme, die kaum etwas aus sich herausbekam. Und diese Stimme träumte davon, frei und stark zu klingen. Sie hatte keine Idee, wie sie das anstellen sollte. Schon ihre Eltern und Großeltern hatten kleine Stimmen und so hatte sie überhaupt keine Vorbilder. Bis sie eines schönen Tages auf einen Marathonläufer traf. “Guten Tag”, sagte die kleine, ächzende, kaum hörbare Stimme zum Marathonläufer, der zuerst überhaupt nicht mitbekam, dass er gemeint war. Er war gerade dabei, sich aufzuwärmen. Seine Muskeln strahlten in der Sonne und er war voll konzentriert und wollte nicht gestört werden.

Die kleine zarte Stimme nahm noch einen Anlauf und sprach den Marathonläufer an. “Haaalooo Sie da”, sagte die zarte ächzende Stimme, “darf ich sie was fragen?”

Dem Marathonläufer war immer noch nicht ganz klar, dass er gemeint war. Jetzt reichte es der zarten, ächzenden Stimme und sie stellte sich ganz dicht zu ihm, bis er nicht mehr anders konnte als die kleine Stimme zu bemerken – aber nur, weil die kleine ächzende Stimme so nah an ihm dran klebte.

“Was willst du denn? Ich habe keine Zeit, ich muss mich aufwärmen für mein Training – ich habe heute einen Marathon und da kann ich mich nicht ablenken lassen.

Also was willst du von mir?”

“Äh, …” sagte die kleine ächzende Stimme, “ich … wollte nur …”

“Ja was willst du denn? Red schon – und rede ein wenig lauter ich kann dich ja gar nicht verstehen!”

Die kleine, ächzende Stimme traf es wie einen Pfeil ins Herz, genau das wollte sie ja ändern!

Also raffte sie sich auf und versuchte, so laut wie es ihr eben möglich war zu sagen:

“Wie haben Sie es soweit gebracht? Ich meine, wie kann ich meine Stimme stärker machen?”

Der Marathonläufer sah die kleine ächzende Stimme an und prustete heraus: “Alles eine Frage des Trainings!”


Die Stimme braucht auch ein Training

Genau darauf will ich mit meiner kleinen Geschichte hinaus, ein Sportler würde nie auf die Idee kommen, nicht zu trainieren.

Die kleine Stimme wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie auch ihr Training braucht. Wahrscheinlich ein anderes Training als der Marathonläufer.

Mich hat ein Feedback von einem Teilnehmer zum Nachdenken gebracht:

„Ich würde gerne eine Technik erlernen, die meine Stimme und die beteiligten Strukturen entspannen hilft. Zum Beispiel nach einem Tag, an dem ich viel gesprochen habe.“

Natürlich kann ich auch da Tipps geben, was man am Besten machen kann wenn so etwas passiert, und natürlich passiert mir das auch immer wieder mal.

Aber das Wichtigste ist, dabei eine Idee zu entwickeln, dass Stimme auch ein Muskel ist. Natürlich gehört da der ganze Mensch dazu – und sie will aufgewärmt werden und dann kann die Stimme ohne Probleme einen ganzen Tag sprechen .

Ich finde es spannend, dass die Einsicht offensichtlich nicht allgemein bekannt ist.

Klar es ist uns im besten Fall gegeben, dass wir einfach sprechen – aber in dem Moment,wo ich in einem Beruf bin, wo ich mehr Stimmpräsenz brauche, ist es an der Zeit, der Stimme ein wenig mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Ich kann mich so gut erinnern, wie mein Mann mich gefragt hat, ob ich ihm Stimmtipps geben kann. Er ist Medienpädagoge und hält jeden Tag stundenlang Workshops und es kam öfter vor, dass er heiser beziehungsweise angeschlagen nach Hause kam.

Natürlich habe ich ihm geholfen. Das, was er sofort umsetzen konnte, war das Summen.

Dabei ist es wichtig, in den Körper zu kommen und sich zu dehnen und den Atem frei fließen zu lassen. Man baut so Spannungen ab und dann gehts los mit SUMMEN.

Wann, wo und wie oft?

Wenn du weißt, dass du einen Tag vor dir hast, wo du den ganzen Tag sprechen musst – wärme dich davor auf. Das heißt, du nimmst dir vor dem Auftritt mindestens eine halbe Stunde Zeit für dein Aufwärmritual. Dehnen und atmen und dann summen. Das hilft deinem Körper sich zu aktivieren und du wärmst deine Stimmbänder durch das Summen auf. So bist du gut vorbereitet und kannst loslegen.

Summe dich ein

Leg deine Lippen locker aufeinander und töne ein mh … so wie wenn du an einer gut duftenden Rose riechst. Los geht´s, experimentiere damit und schreib mir, ob dir das hilft.

 

Deine Bettina Reifschneider